Wir freuten uns riesig auf den Sudan. Während das Auswärtige Amt vor Reisen in dieses Land ausdrücklich warnt, hatten wir bis dato nur Gutes gehört. Ausserordentlich freundliche Menschen und einsame Schlafplätze in Mitten atemberaubender Wüstenlandschaften. Wir konnten uns nichts Schöneres vorstellen. Nur einen kleinen Haken gabs: Die Sudanesen sind noch empfindlicher auf Kameras als ihre Nachbarn.
Bereits auf äthiopischer Seite empfahlen uns die Menschen, die Kamera südlich der Hauptstadt nicht herauszuholen. Das brauchte man uns, gebrandmarkten Kindern, nicht zweimal sagen. So spulten wir die ersten Kilometer bis Khartum einfach nur herunter. Genossen, die uns begleitende Landschaft ausschliesslich mit den Augen und kamen in Kontakt mit den herzlichen Einheimischen. Ob alt ob jung, alle winkten uns zu und hiessen uns willkommen. Nicht selten kam es vor, dass man uns durchs Fenster die Hand schüttelte und uns über das ganze Gesicht anstrahlte. Ein Polizist warf uns im Vorbeifahren eine Kusshand zu. Wir waren überwältigt von dieser Freundlichkeit.
Unseren ersten Schlafplatz schlugen wir einige 100 m neben der Strasse in der Wüste auf. Wir genossen es sehr, mal wieder irgendwo im nirgendwo zu stehen, blickten in den Sternenhimmel und sahen zum ersten Mal seit über zwei Jahren den Polarstern. In der Nacht wurden wir plötzlich von lautem „Määäääääh“ geweckt. Nanu, watten datten? Aber schnell war die Rätselslösung gefunden. Zwei Hirten trieben mit Taschenlampen ihre Schafherde direkt neben unserem Nisto entlang. Uns schienen sie nur nebenbei zur Kenntnis zu nehmen, so drehten wir uns auf die andere Seite und schliefen weiter.
An unserer ersten Tankstelle im Sudan sorgten wir dann für totale Verwirrung. Während der Tankwart fleissig unseren Nisto füllte, liess Markus einen flüchtigen Blick auf den Zähler streifen. Halt, stopp. Das kann doch nicht sein. Alle hatten gesagt, den Sprit bekommt man hier fürn Appel undn Ei. Als wir den Literpreis jedoch nun umrechneten, ergab das CHF 6,00. Mit Händen und Füssen versuchte Markus sich zu verständigen. In der Zwischenzeit hatte der Tankwart den Rüssel hinausgezogen, denn er befürchtete, dass wir nicht genug Geld besassen. Im Nu versammelte sich eine kleine Traube um uns. Jeder versuchte mit seinen Brocken Englisch bei der Verständigung mitzuhelfen, und nach einigen Minuten waren alle Unklarheiten beseitigt: Das Komma war nicht an der richtigen Stelle. Da soll mal einer drauf kommen.
Und da wir gerade Spass am Verwirrung stiften hatten, setzten wir dies bei einer der vielen Polizeikontrollen fort. Während wir in Zentral- und Südamerika nie Originalpapiere ausgehändigt hatten, hatten wir, obwohl die Menschen in Zivil gekleidet waren, hier das Gefühl, dass es nur nach hinten losgehen würde. Also reichten wir ihnen unsere Pässe. Allerdings schienen sie echte Schwierigkeiten zu haben, diesen sowie ihr Visum zu lesen. So gerieten wir an einen, der uns immer wieder sagte: „Finish, finish!“ „Nein, nein, wir fahren nach Khartum, Meroe, Karima, Dongola, ….!“ „No, no, finish, finish!“ Irgendwann kamen wir dahinter, dass er das Ausstellungdatum des Visums mit dem Ablaufdatum verwechselt hatte. Wieder einmal versuchten wir mit Händen und Füssen das Missverständnis aus dem Weg zu räumen, aber erfolglos. Schlussendlich kam ihm einer seiner Kollegen zu Hilfe, und wir durften unsere Reise fortsetzen.
In der Hauptstadt angekommen, nutzten wir den einzigen Supermarkt im ganzen Land, um unsere Grundnahrungsmittel wieder etwas aufzustocken, denn alles andere war erschreckend teuer. Ausserdem machten wir uns auf die Suche nach dem Büro, welches die Fotopermits ausstellte, schliesslich wollten wir doch hier und da mal etwas bildlich festhalten. Dort wo der Reiseführer vermutete, war es nicht mehr. Von Einheimischen bekamen wir zwar Richtungsangaben, aber damit kamen wir auch nicht ans Ziel. Im Endeffekt half uns der Manager des Supermarktes, und fünf Minuten später hatte Markus die Erlaubnis zum Fotos schiessen in der Hand. Nun stand der Erkundung der Pyramiden und Tempel in den nächsten drei Tagen nichts mehr im Wege, denn auch der Sudan hat diesbezüglich einiges zu bieten, wenn auch nicht so imposant, wie sein Nachbarland. So stürzten wir uns auf die kleinen, aber atemberaubenden Sehenswürdigkeiten und genossen es sehr, die einzigen Touristen weit und breit zu sein. Wir liefen zwischen den Ruinen hindurch und staunten nicht schlecht über die feinen Arbeiten.
Zwei Tage später erreichten wir Wadi Halfa, und somit eine weitere Hürde auf unserer Reise gen Norden. Mitten in der Wüste ist eine Fähre über den Lake Nasser die einzige Möglichkeit vom Sudan nach Ägypten zu kommen. Das klingt in Europäischen Ohren verrückt, aber grundsätzlich nicht so schlimm. Allerdings sind wir hier in Afrika. Das Boot ist nicht grösser als eins der kleinen Kreuzfahrtschiffe auf dem Rhein, wird aber mit über 400 Personen bestückt. Hinzukommt, dass das Schiff nachts fährt. Die Menschen nutzen also jeden Zentimeter für ein Bisschen Schlaf. Schnell bekommt man da das Gefühl, man befinde sich auf einem Flüchtlingsboot. Die einzige Rettung ist da eine der wenigen First-Class-Kabinen. Die Frage ist nur, wie an so eine herankommen.
Das Lösungswort ist Mazar Mahir. Ein junger Sudanese, der sich nun schon seit 10 Jahren um die Overlander in seinem Land kümmert. Natürlich hatten auch wir bereits zu ihm Kontakt aufgenommen und eine, der begehrten Kabinen, reserviert. Nisto würde allerdings drei Tage vorher auf einem Frachter seine Reise nach Ägypten starten, denn er darf nicht mit auf die Personenfähre. So mussten wir uns für diese Zeit eine andere Bleibe suchen.
Der Sudan ist von allen Ländern auf unserer bisherigen Reise um die Welt, das mit der geringsten touristischen Infrastruktur. Es gibt zwar hier und da ein zwei kleine Hotels, diese liegen jedoch, vor allem ausserhalb der Hauptstadt, weit unter den uns bekannten Standards. Daher kam die Einladung von Mazar unsere Zelte bei ihm zu Hause aufzustellen, genau richtig. Also zogen wir mit Sack und Pack ein und das Mazar-all-around-Wohlfühlprogramm begann. Für ihn galt, wir sollten uns wie zu Hause fühlen. Was sein war, war auch unser.
Über eine kleine Sache begannen wir dann doch zu grübeln. Bekanntlich ist der Sudan Islamisch und in keinster Weise an Touristen mit nackten Beinen und Armen gewöhnt. Aus diesem Grund lief Sonja bereits seit der Einreise bei über 40 Grad im Schatten mit langer Hose und zumindest ellenbogenbedeckt in der Gegend umher. Ein Kopftuch war glücklicherweise nicht nötig. Nun planten wir die Übernachtung in einem islamischen Haus. Hoffentlich würden wir niemanden in Verlegenheit bringen. Aber alle Sorgen waren umsonst. Wir bekamen ein Schlafplätzchen, welches von grossen Büschen vom Rest des Gartens getrennt war „zugewiesen“. Die Betten wurden natürlich gen Mekka ausgerichtet. Wir schliefen herrlich unter dem Sternenhimmel und waren schon ein Bisschen traurig, als dann auch für uns der Tag der Abreise kam. Mit einer einstündigen Verspätung stachen wir in See mit dem Ziel Assuan in Ägypten. Ob wir es alle heile über den Stausee geschafft haben, dann im nächsten Bericht.
Ganz liebe Grüsse kurz vor Kairo.
Markus und Sonja