Magellanes
In der Zwischenzeit waren wir es gewöhnt, dass Granitfelsen, die wie aus dem Nichts bis auf 3000 m.ü.M. zu wachsen scheinen, vor uns auftauchten. Aber es ist doch immer wieder atemberaubend sich aus der Steppe einer solchen Bergkette zu nähern. Diesmal waren es die Berge des Parque Nacional Torres del Paine, die unsere ganze Aufmerksamkeit für die nächsten Tage auf sich ziehen sollten. Bereits die Anfahrt liess erkennen wie abwechslungsreich dieses Fleckchen Erde ist.
Seit den letzten Wochen hatten wir einen Narren an schönen Sonnenaufgängen gefressen. Daher war klar, wir sind hautnah dabei, wenn die berühmten Torres del Paine rot schimmern. So wollten wir an dessen Fusse zelten und in der Früh die letzten Meter meistern. Aber der Wettergott machte uns einen Strich durch die Planung. Gemäss Vorhersage sollte ausschliesslich der Tag nach unserer Ankunft im Park sonnig werden. Und nun? Bei Regen oder Bewölkung kein bunter Sonnenaufgang. Aber wir könnten ja morgens um drei aus dem Tal loslaufen, dann sind wir pünktlich oben. Gesagt getan. Der Wecker schellte um 2 Uhr und eine Stunde später sah man uns mit Taschenlampe bewaffnet den Aufstieg in Angriff nehmen.
Nach 4 Stunden hatten wir unser Ziel erreicht und suchten uns ein feines Plätzchen für den grossen Augenblick. In der Zwischenzeit waren noch andere Halb-Verrückte, die meisten schienen auf einem der Campingplätze übernachtet zu haben, dazu gestossen. Was wir dort oben geboten bekamen, war wunderschön, jedoch nichts im Vergleich zu dem, was wir schon gesehen hatten. Mit Blick auf die drei Granitfelsen verschlangen wir unser Frühstück und ruhten uns aus, bevor wir uns nach 2 Stunden wieder an den Abstieg machten.
Aber das sollte noch nicht der Höhepunkt des Tages gewesen sein. Mit aller Kraft die Augen aufhaltend stolperten wir den Berg hinab. Wann sind wir denn nun endlich wieder im Tal, schoss es uns minütlich durch den Kopf. Plötzlich sah Markus einen Haufen Wanderer auf dem Weg stehen. Als auch Sonja langsam aus ihrem Halbschlaf erwacht war, hatte Markus ihr schon längst die Kamera vom Körper gerissen und fleissig drauflos geknipst. „Da vorne ist ein Spechtpärchen!“ „ Woooooooo???“ „Na da!!“ Schnell noch einmal die Augen gerieben, dann hatte auch Sonja die beiden entdeckt. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht war die Müdigkeit vergessen. Hatten wir sie doch noch zu Gesicht bekommen. Eine kleine Ewigkeit beobachteten wir die beide, wie sie auf die Baumstämme einhämmerten. Na hoffentlich holen die sich keine Gehirnerschütterung.
Nach 10 Stunden kamen wir mit schmerzenden Knien wieder im Tal an. Jetzt hiess es nur noch: Schnell raus aus den Schuhen, rein in den Nisto und ab einen Schlafplatz suchen. Und tatsächlich heute schien unser Glückstag zu sein. Auf unserem weiteren Weg durch den Park machten wir Autospuren am Rande der Strasse ausfindig, die hinter einen Hügel führten. Schnell nach links und rechts geschaut, schon waren wir dahinter verschwunden und folgten ihnen den Abhang hinunter, direkt zum See mit Ausblick auf die Bergkette. Zehn Minuten später war der Nisto parkiert, das Schlafzimmer gerichtet und man konnte nur noch gleichmässige Atemzüge von der Besatzung vernehmen. Ausschliesslich zum Abendbrot steckten wir die Nase aus den Federn.
Drei Nächte verbrachten wir an diesem wunderschönen Plätzchen. Während wir am ersten Tag noch kleine Ausflüge und Spaziergänge zu diversen Aussichtspunkten machten, legten wir am zweiten die Beine hoch und genossen dieses schöne Fleckchen Erde.
Am letzten Morgen zeigte uns jedoch der Park für was er unteranderem bekannt ist. Der Wind blies uns nur so das Zelt um die Ohren. Wir nahmen dies als Zeichen unsere sieben Sachen zu packen und in den westlichen Bereich des Parkes zu fahren. Genauer gesagt zum Lago Grey, der sich am Fusse des gleichnamigen Gletschers befand. Genau wussten wir nicht, was uns erwartete und daher waren wir umso überraschter, als in der Ferne türkisfarbene Eisschollen unwirklich durch die Bäume schimmerten.
Auch wollten wir heute entscheiden, ob wir noch bleiben und eine mehrtägige Wanderung wagen oder dem Park den Rücken zudrehen sollten. Schnell ein Blick auf den Wetterbericht, welcher 3 Tage Sonnenschein ankündigte, und die Entscheidung war gefallen. So sah man uns am nächsten Morgen bei herrlichstem Wetter mit vollen Rucksäcken losmarschieren. Der Weg und die Aussicht waren wunderschön. Aber wir merkten auch, dass wir es nicht gewohnt waren, so „schwere“ Rucksäcke zu tragen. Zum Glück meldeten sich die Knie diesmal nicht zu Wort.
An unserem Ziel angekommen staunten wir nicht schlecht. Allerdings nicht über den Campingplatz sondern über die vielen Mücken die uns hier empfingen. Hallo, davon stand aber nichts im Reiseführer. Der Wind, der diese lästigen Insekten sonst immer im Gras verweilen lässt, schien bei unserem Besuch wohl gerade auf Urlaub zu sein.
Da wir die einzigen waren, die sich in dieses Eckchen des Parkes verirrt hatten, hiess es: freie Zeltplatzwahl. Mit der Hoffnung auf ein Bisschen Wind, entschieden wir uns für direkt am Fluss. Während wir mit der rechten Hand das Zelt aufbauten, versuchten wir uns mit der Linken die blutsaugenden Viecher vom Leib zu halten. Zum Glück waren wir auf Grund der Temperaturen dick eingepackt, so dass wir lediglich um unser Gesichtsfeld besorgt sein mussten. Nach Spagetti Mediterrane machten wir es uns auf einem Baumstamm zum grossen Sonnenuntergangsspektakel bequem. Als auch der letzte bunte Fleck am Himmel verschwunden war, verkrochen wir uns bis zur Nasenspitze in unseren Schlafsäcken, denn es wurde schnell kühler.
Bereits in der Nacht merkte Sonja bei einem ihrer vielen Austritte, dass der Boden wie auch das Zelt bereits gefroren waren. Als wir am nächsten Morgen erwachten war klar: Nein, uns kriegt hier keiner raus, solange die Sonne nicht auf unser Zelt scheint, viel zu kalt da draussen. So verpassten wir einen wunderschönen Sonnenaufgang, der den Himmel pink färbte.
Um 10 Uhr war es dann soweit. Nach einem Frühstück im Stehen, der Boden war immer noch gefroren, machten wir uns auf den Weg die Umgebung zu erkunden. Nicht nur die Temperaturen auch die Natur war in der Zwischenzeit im Herbst angekommen, und es sah wunderschön aus. Nach einem Tag mitten im Nirgendwo, einem Topf Spagetti Arabiata und einem weiteren Sonnenuntergang, verkrochen wir uns wieder in die Schlafsäcke.
Diesmal wollte Sonja den wunderschönen Sonnenaufgang nicht verpassen. Also quälte sie sich noch bevor es richtig losgegangen war etwas unmotiviert aus dem Zelt und wurde für Ihre Ausdauer belohnt. Der Himmel färbte sich in den unterschiedlichsten Rottönen.
Nachdem wir auch diese eiskalte Nacht hinter uns gebracht hatten, packten wir unsere Sachen und machten uns auf den Rückweg. Am letzten Abend im Parque Nacional Torres del Paine gönnten wir uns nach langer Zeit mal wieder einen Campingplatz mit heisser Dusche. Es war eine Wohltat nach über einer Woche Gletscherwassergeplantsche.
Der nächste Bericht kommt dann mal wieder aus Argentinien.
Kühle Grüsse aus dem Süden.
Markus und Sonja